Sumpfkalk

Was ist Sumpfkalk?

Ziegelstein mit aufgezogener Sumpfkalkputzschicht, daneben Schale mit cremig angerührtem Sumpfkalk, Glas mit Wasser, Pulver und Spachtel – Vorbereitung einer Kalkputz-Mischung für mineralische Untergründe.

Sumpfkalk bezeichnet gelöschten Kalk, der über längere Zeit in Wasser eingelagert wird. Die Bezeichnung leitet sich vom sumpfähnlichen Zustand der cremigen Kalkmasse ab. Durch die Wasserlagerung verfeinert sich die Kristallstruktur kontinuierlich, wodurch die Verarbeitbarkeit und Qualität des Materials deutlich zunehmen. Je länger die Lagerung dauert, desto besser werden die Eigenschaften.

Historisch wurde Sumpfkalk in Kalkgruben über Jahre oder sogar Jahrzehnte gelagert. Diese Tradition hat sich bis heute erhalten, wobei moderne Produkte meist zwischen sechs Monaten und mehreren Jahren eingesumpft werden. Sumpfkalk gilt als hochwertigste Form von Baukalk und findet Verwendung in edlen Kalkputzen, Freskomalerei, Tadelakt und hochwertigen Kalkfarben.

Herstellung von Sumpfkalk

Die Herstellung beginnt mit der Kalkgewinnung. Kalkstein wird bei etwa 1000 Grad Celsius gebrannt, wobei Kohlendioxid entweicht und Branntkalk entsteht. Dieser Calciumoxid reagiert heftig mit Wasser beim sogenannten Löschen. Dabei entsteht Calciumhydroxid unter starker Wärmeentwicklung.

Für Sumpfkalk wird mehr Wasser zugegeben als zum reinen Löschen nötig wäre. Die entstehende Kalkmilch wird in Becken oder Gruben gefüllt und dort über lange Zeit gelagert. Während der Lagerung setzen sich gröbere Partikel ab, feinere bleiben in Schwebe. Die Kristalle wachsen langsam und bilden eine homogene, cremige Masse. Regelmäßiges Umrühren verhindert Hautbildung und fördert die gleichmäßige Reifung.

Eigenschaften und Qualitätsmerkmale

Die lange Einsumpfung verändert die Struktur des Kalks grundlegend. Die Kristalle werden feiner und gleichmäßiger, die Masse wird geschmeidiger und plastischer. Dies erleichtert die Verarbeitung erheblich. Gut gereifter Sumpfkalk lässt sich cremig auftragen und zeigt hervorragende Haftung auf mineralischen Untergründen.

Der pH-Wert liegt mit 12,6 im stark alkalischen Bereich. Diese Eigenschaft verleiht Sumpfkalkprodukten natürliche desinfizierende Wirkung gegen Schimmelpilze und Bakterien. Die hohe Diffusionsoffenheit ermöglicht den Feuchtigkeitsaustausch durch die Wand. Sumpfkalk ist geruchsneutral, frei von Lösemitteln und verursacht keine Emissionen. Die weiße Farbe lässt sich mit alkalibeständigen mineralischen Pigmenten einfärben.

Abbindung durch Carbonatisierung

Sumpfkalk härtet nicht durch Trocknung, sondern durch Carbonatisierung aus. Das im Material enthaltene Calciumhydroxid reagiert mit Kohlendioxid aus der Luft zu Calciumcarbonat, dem ursprünglichen Kalkstein. Dieser Prozess verläuft von außen nach innen und kann je nach Schichtdicke Wochen bis Monate dauern.

Während der Carbonatisierung sinkt der pH-Wert allmählich von 12,6 auf etwa 9. Die Oberfläche bleibt jedoch dauerhaft leicht alkalisch, was den langfristigen Schutz gegen biologischen Bewuchs gewährleistet. Die fortschreitende Carbonatisierung erhöht die Festigkeit kontinuierlich. Hundertjährige Kalkputze sind härter als frisch ausgehärtete, da die Umwandlung auch im Kern weiter fortschreitet.

Anwendungsbereiche

Sumpfkalk kommt in verschiedenen Bereichen zum Einsatz, die höchste Qualität erfordern:

  • Kalkputze: Edelputze für Innen und Außen mit hervorragender Verarbeitbarkeit
  • Freskomalerei: Malgrund für die Fresco-Technik, bindet Pigmente durch Carbonatisierung ein
  • Stuccolustro und Marmorino: Hochglänzende, polierte Kalkoberflächen nach venezianischer Tradition
  • Tadelakt: Wasserdichter, polierter Kalkputz aus Marokko für Feuchträume
  • Kalkfarben: Hochwertige Anstriche mit matter, samtiger Oberfläche

Die Verwendung von Sumpfkalk statt gewöhnlichem Weißkalkhydrat verbessert die Verarbeitungseigenschaften und die spätere Oberflächenqualität erheblich. Besonders bei anspruchsvollen Spachtel- und Glätttechniken zeigt sich der Unterschied deutlich.

Verarbeitung und Handhabung

Sumpfkalk wird gebrauchsfertig in Eimern oder Big Bags geliefert. Die cremige Konsistenz ermöglicht die direkte Verarbeitung oder das Anmischen mit Sand für Putzmörtel. Das Mischungsverhältnis richtet sich nach der Anwendung: Für Unterputze werden drei Teile Sand auf einen Teil Sumpfkalk gemischt, für Oberputze zwei zu eins, für Feinputze eins zu eins oder reiner Sumpfkalk.

Bei der Verarbeitung ist Schutzausrüstung erforderlich, da die stark alkalische Masse Haut und Augen reizt. Nach dem Auftrag darf die Oberfläche nicht zu schnell trocknen. Bei warmem Wetter wird nachgefeuchtet, um Rissbildung zu vermeiden und die Carbonatisierung zu unterstützen. Die volle Festigkeit entwickelt sich über Wochen, wobei die Oberfläche bereits nach wenigen Tagen überarbeitbar ist.

Lagerung und Haltbarkeit

Sumpfkalk ist nahezu unbegrenzt haltbar, wenn er unter Wasser gelagert wird. Der Kontakt mit Luft muss minimiert werden, da sonst Carbonatisierung bereits im Lagerbehälter einsetzt. Angebrochene Gebinde werden mit Wasser überschichtet, um eine Hautbildung zu verhindern. Bei korrekter Lagerung verbessert sich die Qualität mit zunehmendem Alter weiter.

Im Gegensatz zu modernen Baustoffen mit begrenzter Haltbarkeit ist Sumpfkalk ein lebendiges Material, das durch Lagerung reift. Historische Kalkgruben enthielten Material unterschiedlicher Jahrgänge. Älterer Kalk galt als wertvoller und wurde für besonders anspruchsvolle Arbeiten reserviert. Diese Tradition zeigt den hohen Stellenwert, den Sumpfkalk in der historischen Baukunst hatte.

Unterschied zu anderen Kalkformen

Sumpfkalk unterscheidet sich von anderen Kalkprodukten durch seine Aufbereitung und Qualität. Weißkalkhydrat ist ebenfalls gelöschter Kalk, wird jedoch pulverförmig geliefert und nicht eingesumpft. Die Kristallstruktur ist gröber, die Verarbeitbarkeit geringer. Kalkputze auf Basis von Weißkalkhydrat erreichen nicht die Geschmeidigkeit von Sumpfkalkprodukten.

Hydraulische Kalke enthalten zusätzliche Bestandteile, die auch ohne Luftkontakt abbinden. Sie härten schneller aus, sind jedoch weniger diffusionsoffen. Für hochwertige Oberputze und Glätttechniken ist Sumpfkalk die bessere Wahl. Der Mehrpreis rechtfertigt sich durch die überlegenen Eigenschaften und die einfachere Verarbeitung.