Silikatfarbe

Was ist Silikatfarbe?

Silikatfarbe ist eine rein mineralische Farbe, die Kaliwasserglas als Bindemittel verwendet. Anders als Dispersionsfarben, die als Film auf der Oberfläche liegen, verbindet sich Silikatfarbe durch einen chemischen Prozess dauerhaft mit dem mineralischen Untergrund. Diese Verkieselung macht die Beschichtung extrem haltbar und wetterbeständig.

Die Technik wurde im 19. Jahrhundert von Adolf Wilhelm Keim entwickelt und hat sich besonders im Denkmalschutz und bei Fassadenanstrichen bewährt. Silikatfarben sind diffusionsoffen, nicht brennbar und resistent gegen UV-Strahlung. Sie eignen sich für Kalk-, Zement- und Betonuntergründe, jedoch nicht für Gips, Holz oder kunstharzhaltige Oberflächen.

Zusammensetzung und Bindemittel

Das Bindemittel Kaliwasserglas entsteht durch Schmelzen von Quarzsand und Pottasche bei hohen Temperaturen. In wässriger Lösung ist es alkalisch mit pH-Werten um 11. Als Pigmente kommen ausschließlich mineralische, alkalibeständige Farbstoffe zum Einsatz, da organische Pigmente die hohe Alkalität nicht überstehen würden.

Man unterscheidet zwischen reinen Silikatfarben nach DIN 18363 und Dispersions-Silikatfarben, die geringe Mengen organischer Bindemittel enthalten. Reine Silikatfarben sind zweikomponentig: Pigmentpulver und Kaliwasserglas werden vor der Verarbeitung gemischt. Dispersions-Silikatfarben sind einkomponentig und verarbeitungsfreundlicher, erreichen jedoch nicht die gleiche Haltbarkeit wie reine Systeme.

Verkieselung und Haftung

Die besondere Eigenschaft von Silikatfarben liegt in der Verkieselung. Das flüssige Kaliwasserglas dringt in den mineralischen Untergrund ein und reagiert mit dessen Bestandteilen. Dabei entstehen unlösliche Kieselsäureverbindungen, die Farbe und Untergrund fest miteinander verbinden. Die Farbe liegt nicht auf der Wand, sondern wird Teil von ihr.

Dieser Prozess erfordert einen mineralischen, saugfähigen Untergrund. Auf Gips oder Kunstharzputzen findet keine Verkieselung statt. Die Haftung wäre rein mechanisch und unzureichend. Alte Dispersionsfarben müssen vollständig entfernt werden, da sie die Verkieselung verhindern. Die dauerhafte Verbindung macht Silikatanstriche extrem langlebig. Während Dispersionsfarben nach 10 bis 15 Jahren erneuert werden müssen, halten Silikatfassaden 30 bis 50 Jahre.

Eigenschaften und Vorteile

Silikatfarben vereinen mehrere Eigenschaften, die sie von kunstharzgebundenen Systemen unterscheiden:

  • Wetterbeständig: UV-stabil, farbecht, selbstreinigend durch hydrophile Oberfläche
  • Nicht brennbar: Mineralische Zusammensetzung, Brandschutzklasse A1
  • Alkalisch: Natürlicher Schutz gegen Algen, Pilze und Mikroorganismen ohne Biozide
  • Emissionsfrei: Keine Ausdünstungen, keine flüchtigen organischen Verbindungen

Die alkalische Oberfläche mit pH-Werten um 11 verhindert biologischen Bewuchs auf natürliche Weise. Während kunstharzhaltige Fassadenfarben Algizide und Fungizide benötigen, die sich mit der Zeit auswaschen und die Umwelt belasten, wirkt Silikatfarbe dauerhaft ohne chemische Zusätze.

Anwendungsbereiche

Silikatfarben eignen sich für verschiedene Einsatzbereiche. Im Außenbereich bewähren sie sich auf Putzfassaden, Sichtbeton und historischen Gebäuden. Die Wetterbeständigkeit und Selbstreinigung reduzieren den Wartungsaufwand erheblich. In Küstenregionen mit hoher Salzbelastung oder in industriellen Umgebungen mit aggressiven Luftschadstoffen zeigen sie ihre Überlegenheit gegenüber organischen Beschichtungen.

Im Innenbereich schaffen Silikatfarben ein gesundes Raumklima. Ihre Diffusionsoffenheit unterstützt die Feuchteregulierung durch die Wand. In Kellern, Treppenhäusern oder feuchtebelasteten Räumen bieten sie natürlichen Schimmelschutz. Besonders in Verbindung mit Kalkputzen entsteht ein optimal aufeinander abgestimmtes System. Die matte Oberfläche eignet sich für repräsentative Räume und Ausstellungsflächen.

Verarbeitung und Untergrundanforderungen

Die Verarbeitung von Silikatfarben erfordert sorgfältige Vorbereitung. Der Untergrund muss mineralisch, tragfähig, sauber und ausreichend fest sein. Sandende oder kreidende Flächen werden mit Silikatgrundierung verfestigt. Stark saugende Untergründe erhalten eine Vorbehandlung, um die Saugfähigkeit zu regulieren. Alte Dispersionsfarben müssen vollständig entfernt werden.

Reine Silikatfarben werden kurz vor der Verarbeitung angemischt und haben eine begrenzte Verarbeitungszeit. Die Verarbeitung erfolgt mit Quast, Bürste oder Rolle. Spritzauftrag ist möglich, erfordert jedoch geeignete Schutzausrüstung, da die alkalische Farbe Haut und Augen reizt. Nach dem Auftrag darf die Farbe nicht zu schnell trocknen, da die Verkieselung Feuchtigkeit benötigt. Bei heißem Wetter wird die Fläche nachgefeuchtet.

Farbgestaltung und Pigmentierung

Die Farbpalette von Silikatfarben ist auf mineralische Pigmente beschränkt. Diese sind überwiegend erdig und zurückhaltend: Ocker, Umbra, Siena, Oxidfarben und Eisenoxide. Intensive organische Farbtöne wie leuchtendes Rot, Violett oder kräftiges Blau sind nicht realisierbar, da entsprechende Pigmente die Alkalität nicht überstehen.

Diese Einschränkung ist gleichzeitig ein gestalterisches Merkmal. Die natürlichen Farbtöne fügen sich harmonisch in historische und natürliche Umgebungen ein. Die matte, leicht strukturierte Oberfläche wirkt edel und zurückhaltend. Bei Dispersions-Silikatfarben ist die Farbpalette durch den Kunstharzanteil etwas erweitert, erreicht jedoch nicht die Brillanz reiner Dispersionsfarben.

Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit

Silikatfarben sind in der Anschaffung teurer als Dispersionsfarben. Der höhere Materialpreis und die anspruchsvollere Verarbeitung erhöhen die Kosten initial. Über die Nutzungsdauer betrachtet relativiert sich dieser Nachteil. Die dreifache Lebensdauer gegenüber Dispersionsfarben bedeutet weniger Renovierungszyklen und damit langfristig niedrigere Kosten.

Ökologisch punkten Silikatfarben durch ihre rein mineralische Zusammensetzung. Sie enthalten keine Lösemittel, Weichmacher oder synthetischen Bindemittel. Die Herstellung verbraucht weniger Energie als die Produktion von Kunstharzen. Die Entsorgung ist unproblematisch, da keine Sonderabfälle entstehen. Die lange Haltbarkeit schont Ressourcen und reduziert Abfall. Für nachhaltiges Bauen und Denkmalschutz sind Silikatfarben daher erste Wahl.