Kasein

Was ist Kasein?

Kasein ist ein Protein, das den Hauptbestandteil des Eiweißes in Milch bildet. Der Name leitet sich vom lateinischen "caseus" (Käse) ab, da Kasein auch bei der Käseherstellung eine zentrale Rolle spielt. In der Baubranche dient Kasein als natürliches Bindemittel für Farben, Grundierungen und Leime. Durch Zugabe von Kalk oder Borax wird das wasserunlösliche Kasein aufgeschlossen und bildet dann ein dauerhaft bindendes, wasserfestes Anstrichmittel.

Kaseinfarben zählen zu den ältesten Beschichtungsmaterialien der Menschheit und wurden bereits in der Antike und im Mittelalter für Wand- und Tafelmalerei verwendet.

Gewinnung und Aufbereitung

Kasein wird aus Magermilch gewonnen. Durch Zugabe von Säure (Zitronensäure, Milchsäure oder Salzsäure) oder durch Einwirkung von Lab gerinnt das Milcheiweiß und fällt als feste Masse aus. Diese wird gewaschen, gepresst und getrocknet. Das Ergebnis ist ein gelblich-weißes Pulver oder Granulat, das unbegrenzt lagerfähig ist.

In dieser Form ist Kasein wasserunlöslich. Erst durch Aufschluss mit alkalischen Substanzen wird es wasserlöslich und als Bindemittel verwendbar. Traditionell geschieht dies mit gelöschtem Kalk (Sumpfkalk) oder Hirschhornsalz. Heute wird oft Borax verwendet, das einen schnelleren und gleichmäßigeren Aufschluss ermöglicht.

Kasein-Kalk-Verbindung

Die Verbindung von Kasein mit Kalk ergibt Kaseinleim oder Kalkkasein. Bei diesem Prozess reagiert das alkalische Calciumhydroxid mit den Proteinketten des Kaseins und bildet Calciumcaseinat. Diese Verbindung ist wasserlöslich, trocknet aber zu einer wasserunempfindlichen Schicht auf.

Die Herstellung erfolgt durch Einrühren von Kaseinpulver in Kalksinterwasser oder verdünnten Sumpfkalk. Nach einer Quellzeit von mehreren Stunden entsteht eine gelartige Masse, die als Bindemittel für Farben oder als Leim verwendbar ist. Das Mischungsverhältnis beeinflusst die Eigenschaften: Mehr Kalk ergibt härtere, aber sprödere Anstriche, mehr Kasein flexiblere Beschichtungen.

Eigenschaften von Kaseinfarben

Kaseinfarben besitzen charakteristische Eigenschaften, die sie von anderen Anstrichmitteln unterscheiden:

  • Hohe Bindekraft: Kasein bindet Pigmente sehr fest ein
  • Matte Oberfläche: Typisch samtig-matter Glanzgrad
  • Gute Deckkraft: Bereits mit wenigen Anstrichen deckend
  • Schnelle Trocknung: Oberflächentrocken nach etwa einer Stunde
  • Wasserfestigkeit: Nach vollständiger Trocknung weitgehend wasserbeständig
  • Kratzfestigkeit: Härter als reine Kalkfarben

Im Vergleich zu reinen Kalkfarben sind Kaseinfarben widerstandsfähiger und haften auch auf weniger saugenden Untergründen. Gegenüber Dispersionsfarben sind sie diffusionsoffener und enthalten keine synthetischen Zusätze.

Anwendungsbereiche

Kasein findet in verschiedenen Bereichen Anwendung

Kaseinfarben:

  • Wandanstriche im Innenbereich
  • Deckenfarben
  • Künstlerfarben für Tafelmalerei
  • Theatermalerei und Bühnenbilder

Kaseingrundierungen:

  • Sperrgrund gegen durchschlagende Holzinhaltsstoffe
  • Haftgrund auf glatten Untergründen
  • Festigung leicht sandender Putze

Kaseinleime:

  • Holzleime für Möbelbau und Restaurierung
  • Vergolderleime
  • Bindemittel für Spachtelmassen

Kaseinprodukte eignen sich ausschließlich für den Innenbereich. Im Außenbereich sind sie nicht witterungsbeständig und würden durch Feuchtigkeit und Mikroorganismen zersetzt.

Vorteile und Grenzen

Kasein bietet als natürliches Bindemittel mehrere Vorteile. Es ist ein nachwachsender Rohstoff, vollständig biologisch abbaubar und frei von Lösemitteln oder synthetischen Zusätzen. Die hohe Bindekraft ermöglicht intensive Farbtöne, die auch mit empfindlichen Pigmenten möglich sind, die in reinem Kalk nicht verwendet werden könnten.

Den Vorteilen stehen einige Einschränkungen gegenüber. Kaseinfarben sind nur begrenzt lagerfähig und müssen frisch angesetzt werden. Die Verarbeitungszeit beträgt je nach Rezeptur wenige Stunden bis maximal zwei Tage, dann beginnt das Kasein zu verderben. Auch ist Kasein als tierisches Produkt nicht für vegane Bauweise geeignet. Bei empfindlichen Personen können Milcheiweißallergien relevant sein, wobei die ausgehärtete Beschichtung in der Regel keine Probleme verursacht.

Kasein in Kombination mit Kalk

In der Praxis wird Kasein oft als Zusatz zu Kalkfarben verwendet, um deren Eigenschaften zu verbessern. Ein geringer Kaseinanteil von 2% bis 5% erhöht die Abriebfestigkeit und Haftung, ohne die mineralischen Eigenschaften des Kalks wesentlich zu verändern. Solche Mischungen werden als Kasein-Kalkfarben bezeichnet.

Die Kombination vereint die Vorteile beider Bindemittel: Der Kalk sorgt für Diffusionsoffenheit, Alkalität und Schimmelhemmung, das Kasein für bessere Haftung und Wischfestigkeit. Für stark beanspruchte Flächen wie Treppenhäuser oder Flure kann der Kaseinanteil höher gewählt werden. In Feuchträumen sollte auf Kaseinzusätze verzichtet werden, da das organische Material bei dauerhafter Feuchtigkeit Nährboden für Mikroorganismen bieten kann.

Historische Bedeutung

Kaseinfarben haben eine jahrtausendealte Geschichte. Bereits im alten Ägypten wurden Kaseinbindemittel verwendet. Im Mittelalter war Kasein das wichtigste Bindemittel für Tafelmalerei, bevor es durch Ölfarben verdrängt wurde. Viele historische Wandmalereien und Dekorationen wurden mit Kaseinfarben ausgeführt.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erlebte Kasein eine Renaissance als Wandfarbe.

Erst mit dem Aufkommen synthetischer Dispersionsfarben ab den 1950er Jahren ging die Verwendung zurück. Heute wird Kasein vor allem in der ökologischen Bauweise, der Denkmalpflege und von Künstlern geschätzt, die natürliche Materialien bevorzugen.