Was ist holzgebrannter Kalk?

Holzgebrannter Kalk ist Branntkalk, der in traditionellen Öfen mit Holz als Brennstoff hergestellt wird. Im Gegensatz zu industriell gebranntem Kalk, der in modernen Schachtöfen oder Drehrohröfen mit Gas oder Öl bei hohen Temperaturen produziert wird, entsteht holzgebrannter Kalk bei niedrigeren und ungleichmäßigeren Temperaturen.
Diese traditionelle Brennweise ergibt einen Kalk mit besonderer Kristallstruktur, höherer Reaktivität und besseren Verarbeitungseigenschaften. Holzgebrannter Kalk gilt in der Denkmalpflege und bei anspruchsvollen Kalkputzarbeiten als Premium-Material.
Traditionelle Herstellung
Das Brennen von Kalk mit Holz ist ein jahrtausendealtes Verfahren. Historisch geschah dies in einfachen Feldöfen oder gemauerten Schachtöfen, die mit Holzscheiten befeuert wurden. Der Kalkstein wurde schichtweise mit dem Brennholz aufgesetzt und über mehrere Tage gebrannt.
Die Brenntemperatur in Holzöfen liegt zwischen 850°C und 1000°C und schwankt je nach Position im Ofen. Diese Schwankungen führen zu einer heterogenen Kristallstruktur des Branntkalks: Neben vollständig gebrannten Bereichen entstehen Zonen mit leichter Unterbrennung. Das Ergebnis ist ein Kalk mit unterschiedlichen Reaktivitäten, der beim Löschen und Einsumpfen besonders feine Partikel entwickelt.
Unterschied zu industriellem Kalk
Industrielle Kalkwerke brennen bei konstanten Temperaturen von 1100°C bis 1300°C. Diese hohen Temperaturen führen zu einer gleichmäßigen, aber gröberen Kristallstruktur. Der Kalk ist chemisch rein, aber weniger reaktiv. Beim Löschen entstehen größere Partikel, die auch durch langes Einsumpfen nicht die Feinheit von holzgebranntem Kalk erreichen.
Die wichtigsten Unterschiede im Überblick:
- Brenntemperatur: Holzofen 850 bis 1000°C, Industrieofen 1100 bis 1300°C
- Kristallstruktur: Holzgebrannt heterogen und feinporig, industriell gleichmäßig und dichter
- Reaktivität: Holzgebrannt höher, industriell niedriger
- Partikelgröße nach Einsumpfung: Holzgebrannt feiner, industriell gröber
- Verarbeitbarkeit: Holzgebrannt geschmeidiger, industriell körniger
Qualitätsmerkmale
Holzgebrannter Kalk zeigt nach dem Löschen und Einsumpfen charakteristische Eigenschaften. Die Konsistenz ist besonders cremig und butterartig. Der Kalk lässt sich leichter glätten und ergibt feinere Oberflächen. Die höhere Reaktivität führt zu einer intensiveren Carbonatisierung und besserer Haftung am Untergrund.
Erfahrene Kalkverarbeiter erkennen holzgebrannten Kalk an seiner Geschmeidigkeit beim Auftragen. Das Material "steht" besser an der Wand, zieht gleichmäßiger an und lässt sich auch bei dünneren Schichten sauber verarbeiten. Diese Eigenschaften machen holzgebrannten Kalk zur ersten Wahl für anspruchsvolle Kalkglätten und Freskotechniken.
Anwendungsbereiche
Holzgebrannter Kalk wird bevorzugt dort eingesetzt, wo höchste Qualitätsansprüche gelten:
- Denkmalpflege und Restaurierung historischer Gebäude
- Hochwertige Kalkglätten und Stuccolustro
- Freskomalerei und Secco-Technik
- Traditionelle Kalkmörtel für historisches Mauerwerk
- Ökologisches Bauen mit authentischen Materialien
Für Standardanwendungen wie einfache Kalkputze ist industriell gebrannter Kalk ausreichend. Die Mehrkosten für holzgebrannten Kalk lohnen sich vor allem bei sichtbaren Oberflächen und anspruchsvollen Techniken.
Ökologische Aspekte
Das Brennen mit Holz hat auch ökologische Vorteile. Holz ist ein nachwachsender Rohstoff, dessen CO₂-Bilanz günstiger ausfällt als bei fossilen Brennstoffen. Das beim Verbrennen freigesetzte CO₂ wurde zuvor vom Baum aus der Atmosphäre aufgenommen.
Allerdings ist die traditionelle Holzbrennung energieintensiver und zeitaufwendiger als moderne Industrieverfahren. Die geringere Produktionsmenge und der höhere Aufwand erklären den Preisunterschied. Für Bauherren, die Wert auf authentische Materialien und Nachhaltigkeit legen, ist holzgebrannter Kalk dennoch eine sinnvolle Wahl.
Verfügbarkeit
Holzgebrannter Kalk ist ein Nischenprodukt, das nicht in jedem Baustoffhandel erhältlich ist. Spezialisierte Kalkhersteller und Anbieter für Denkmalpflege führen entsprechende Produkte. Einige Betriebe brennen noch selbst in traditionellen Öfen, andere beziehen holzgebrannten Kalk aus kleinen Manufakturen in Italien, Frankreich oder Österreich.
Beim Kauf sollte auf Herkunftsangaben und Brennverfahren geachtet werden. Nicht jeder als "traditionell" beworbene Kalk ist tatsächlich holzgebrannt. Seriöse Anbieter dokumentieren das Brennverfahren und die Herkunft ihrer Rohstoffe.
