Erdpigmente

Was sind Erdpigmente?

Erdpigmente sind natürliche Farbstoffe, die aus mineralischen Erden, Gesteinen und Verwitterungsprodukten gewonnen werden. Sie zählen zu den ältesten Malmitteln der Menschheit und wurden bereits in prähistorischen Höhlenmalereien verwendet. Ihre Farbgebung entsteht durch natürlich vorkommende Metalloxide, vor allem Eisenoxide und Manganoxide.

Erdpigmente zeichnen sich durch hohe Lichtechtheit, Alkalibeständigkeit und Ungiftigkeit aus, was sie zum idealen Farbmittel für Kalkputze und Kalkfarben macht. Im Gegensatz zu synthetischen Pigmenten entstehen die Farbtöne durch geologische Prozesse und variieren je nach Herkunftsort leicht in Nuance und Intensität.

Arten von Erdpigmenten

Die wichtigsten Erdpigmente lassen sich nach ihrer Farbe und chemischen Zusammensetzung einteilen:

Gelb- und Ockertöne:

  • Ocker: Eisenoxidhydrat, von hellgelb bis goldbraun
  • Siena natur: Italienische Erde mit warmem Gelbton
  • Goldocker: Intensiver, leuchtender Gelbton

Rottöne:

  • Englischrot: Eisenoxid, kräftiges Ziegelrot
  • Siena gebrannt: Durch Brennen von Siena natur entstanden, rotbraun
  • Pompejanischrot: Historischer Rotton aus vulkanischen Erden

Brauntöne:

  • Umbra natur: Mangan- und eisenhaltige Erde, grünstichig braun
  • Umbra gebrannt: Durch Brennen dunkler und wärmer im Ton
  • Kasseler Braun: Tiefes, kühles Braun

Weitere Töne:

  • Grüne Erde: Eisensilikat, gedecktes Graugrün
  • Spinellschwarz: Natürliches Mineralschwarz

Eigenschaften für Kalkprodukte

Erdpigmente eignen sich aus mehreren Gründen besonders gut für Kalkputze und Kalkfarben:

  • Alkalibeständigkeit: Reagieren nicht mit dem hohen pH-Wert des Kalks (12,6)
  • Lichtechtheit: Verblassen auch bei starker Sonneneinstrahlung nicht
  • Kalkverträglichkeit: Beeinflussen den Abbindeprozess nicht negativ
  • Ungiftigkeit: Enthalten keine gesundheitsschädlichen Stoffe
  • UV-Stabilität: Behalten ihre Farbe über Jahrzehnte

Diese Eigenschaften machen Erdpigmente zur ersten Wahl für mineralische Anstriche. Synthetische Pigmente sind zwar oft farbintensiver, aber nicht alle vertragen den alkalischen pH-Wert von Kalk. Ungeeignete Pigmente können ausbleichen, sich verfärben oder den Kalk schädigen.

Farbpalette und Charakteristik

Die Farbpalette von Erdpigmenten umfasst primär warme Naturtöne: Ocker, Terrakotta, Sand, Braun, gedecktes Rot und Olivgrün. Kräftige Primärfarben wie reines Blau oder leuchtendes Grün sind mit reinen Erdpigmenten nicht erreichbar. Dafür bieten Erdpigmente eine unverwechselbare Tiefe und Lebendigkeit, die synthetische Farben selten erreichen.

Die Farbtöne wirken je nach Lichteinfall unterschiedlich und verändern sich leicht im Tagesverlauf. Diese Lebendigkeit entsteht durch die unregelmäßige Partikelstruktur natürlicher Pigmente, die das Licht diffus reflektieren. Industriell hergestellte Pigmente mit ihrer gleichmäßigen Partikelgröße wirken dagegen oft flacher und statischer.

Verarbeitung mit Kalk

Erdpigmente werden in Kalkputze und Kalkfarben eingemischt, um farbige Oberflächen zu erzeugen. Die Zugabemenge liegt üblicherweise zwischen 3% und 10% bezogen auf das Bindemittel. Höhere Anteile sind möglich, können aber die Bindekraft des Kalks schwächen.

Vor dem Einmischen sollten Erdpigmente mit Wasser angeteigt und über Nacht quellen gelassen werden. Dieser Vorgang nennt sich "Aufschließen" und sorgt für eine gleichmäßige Farbverteilung ohne Pigmentnester. Trockene Pigmente direkt in den Kalk zu geben, führt oft zu Schlieren und ungleichmäßiger Färbung.

Bei der Dosierung ist zu beachten, dass Kalkfarben im nassen Zustand deutlich dunkler wirken als nach dem Trocknen. Die endgültige Farbe zeigt sich erst nach vollständiger Carbonatisierung, was mehrere Tage dauern kann. Probeflächen helfen, den gewünschten Farbton zu treffen.

Herkunft und Gewinnung

Erdpigmente werden weltweit an verschiedenen Standorten gewonnen. Bekannte Herkunftsgebiete sind die Toskana (Siena-Erden), Umbrien (Umbra), Zypern (Ocker), Frankreich (Provence-Erden) und Deutschland (verschiedene Ockervorkommen). Der Name vieler Pigmente verweist auf ihren Ursprungsort.

Die Gewinnung erfolgt durch Abbau der pigmenthaltigen Erdschichten, Reinigung, Trocknung und Mahlung. Je nach Feinheit der Mahlung variieren Farbintensität und Deckkraft. Manche Pigmente werden zusätzlich gebrannt, um andere Farbtöne zu erzielen: Aus gelbem Siena natur wird durch Brennen rotbraunes Siena gebrannt.