Was ist Dispersionssilikat?

Dispersionssilikat bezeichnet Anstrichmittel, die sowohl mineralisches Kaliwasserglas als auch organische Kunstharzdispersion als Bindemittel enthalten. Diese Kombination soll die Vorteile beider Systeme vereinen: die mineralische Optik und relative Diffusionsoffenheit der Silikatfarbe mit der einfachen Verarbeitung und breiten Untergrundverträglichkeit der Dispersionsfarbe.
Nach DIN 18363 dürfen Dispersionssilikatfarben bis zu 5% organische Bindemittel enthalten, um noch als Silikatfarbe zu gelten. In der Praxis liegen die Anteile oft höher, was die mineralischen Eigenschaften entsprechend einschränkt.
Zusammensetzung und Aufbau
Dispersionssilikatfarben bestehen aus mehreren Komponenten:
- Kaliwasserglas (Kaliumsilikat): Mineralisches Bindemittel, reagiert mit dem Untergrund
- Kunstharzdispersion: Meist Acrylat oder Styrol-Acrylat, verbessert Haftung und Verarbeitung
- Pigmente: Farbgebende Stoffe, müssen alkalibeständig sein
- Füllstoffe: Mineralische Zuschläge für Struktur und Deckkraft
- Additive: Stabilisatoren, Verdicker, gegebenenfalls Konservierungsmittel
Die beiden Bindemittel wirken unterschiedlich: Kaliwasserglas verkieselt chemisch mit mineralischen Untergründen, während die Dispersion einen physikalischen Film bildet. Im fertigen Anstrich liegen beide Systeme nebeneinander vor.
Abgrenzung zu reinen Silikatfarben
Reine Silikatfarben (Wasserglasfarben) enthalten ausschließlich Kaliwasserglas als Bindemittel und werden zweikomponentig geliefert: Bindemittel und Pigmentpulver werden erst kurz vor der Verarbeitung gemischt. Diese Farben verkieseln vollständig mit dem Untergrund und sind extrem diffusionsoffen, aber auch anspruchsvoll in der Verarbeitung.
Dispersionssilikatfarben sind einkomponentig und gebrauchsfertig. Der Dispersionsanteil macht sie lagerstabil und einfacher zu verarbeiten. Dafür ist die Verkieselung mit dem Untergrund weniger ausgeprägt, und die Diffusionsoffenheit liegt zwischen reiner Silikatfarbe und Dispersionsfarbe. Je höher der Dispersionsanteil, desto mehr nähern sich die Eigenschaften einer konventionellen Dispersionsfarbe an.
Eigenschaften und Anwendung
Dispersionssilikatfarben bieten einige praktische Eigenschaften:
- Gute Haftung auf verschiedenen Untergründen, auch auf Altanstrichen
- Mineralische, matte Optik
- Relativ diffusionsoffen (besser als Dispersion, schlechter als Reinsilikat)
- Weitgehend UV-beständig
- Gebrauchsfertig und einfach zu verarbeiten
Die Anwendung erfolgt vor allem im Fassadenbereich, wo eine mineralische Optik gewünscht ist, aber die Verarbeitungsbedingungen für reine Silikatfarben nicht gegeben sind. Im Innenbereich werden Dispersionssilikatfarben seltener eingesetzt, da hier reine mineralische Systeme wie Kalkfarbe oder Reinsilikat die bessere Wahl für ein gesundes Raumklima sind.
Kritische Betrachtung
Aus baubiologischer Sicht ist Dispersionssilikat ein Kompromissprodukt. Der Dispersionsanteil schränkt die Diffusionsoffenheit ein und kann die Raumluft durch Ausgasungen belasten. Die Bezeichnung "Silikatfarbe" suggeriert ein rein mineralisches Produkt, was bei Dispersionssilikat nicht zutrifft.
Für Anwender, die Wert auf maximale Diffusionsoffenheit und schadstofffreie Materialien legen, sind reine Kalkfarben oder echte Silikatfarben die bessere Wahl. Dispersionssilikat eignet sich eher dort, wo ein pragmatischer Mittelweg zwischen mineralischer Qualität und einfacher Verarbeitung gesucht wird.
Kennzeichnung und Transparenz
Die Unterscheidung zwischen Reinsilikat und Dispersionssilikat ist für Verbraucher nicht immer einfach. Beide dürfen als "Silikatfarbe" bezeichnet werden, solange der organische Anteil unter 5% liegt. Ein Blick auf das technische Datenblatt oder die Volldeklaration schafft Klarheit: Enthält das Produkt Begriffe wie "Reinacrylat", "Styrol-Acrylat" oder "Kunstharzdispersion", handelt es sich um ein Dispersionssilikat.
Hersteller, die auf Transparenz setzen, deklarieren den organischen Anteil oder kennzeichnen ihre Produkte eindeutig als "Reinsilikat" oder "Dispersionssilikat". Bei fehlender Deklaration ist Vorsicht geboten.
