Was ist eine Dispersion?

Eine Dispersion ist ein Stoffgemisch, bei dem feine Teilchen eines Stoffes in einem anderen Stoff fein verteilt (dispergiert) sind, ohne sich darin zu lösen. Im Bauwesen bezeichnet der Begriff meist wässrige Kunststoffdispersionen: Feine Kunststoffpartikel (häufig Acrylate oder Polyvinylacetat) schweben in Wasser und werden durch Emulgatoren am Zusammenklumpen gehindert.
Beim Trocknen verdunstet das Wasser, die Kunststoffteilchen rücken zusammen und verschmelzen zu einem geschlossenen Film. Dieses Prinzip ist die Grundlage für Dispersionsfarben, die heute zu den meistverwendeten Anstrichmitteln im Innenbereich gehören.
Aufbau einer Dispersionsfarbe
Dispersionsfarben bestehen aus mehreren Komponenten:
- Bindemittel: Kunststoffpartikel (Acrylat, Vinyl, Styrol-Acrylat) in wässriger Dispersion
- Pigmente: Farbgebende Stoffe, meist Titandioxid für Weißfarben
- Füllstoffe: Kreide, Kaolin oder Calciumcarbonat für Volumen und Deckkraft
- Additive: Entschäumer, Verdicker, Konservierungsmittel, Filmbildehilfsmittel
- Wasser: Trägermedium, verdunstet beim Trocknen
Die Qualität einer Dispersionsfarbe hängt wesentlich vom Bindemittelanteil ab. Hochwertige Farben enthalten mehr Bindemittel und weniger Füllstoffe, was zu besserer Haftung, Deckkraft und Beständigkeit führt.
Filmbildung und Trocknung
Der Trocknungsprozess einer Dispersionsfarbe verläuft in mehreren Phasen. Zunächst verdunstet das Wasser an der Oberfläche. Die Kunststoffpartikel rücken enger zusammen und beginnen sich zu berühren. In der letzten Phase verschmelzen die Partikel unter dem Einfluss von Filmbildehilfsmitteln zu einer zusammenhängenden Kunststoffschicht.
Dieser Prozess ist rein physikalisch und unterscheidet sich grundlegend von der chemischen Aushärtung mineralischer Bindemittel. Während Kalkputz durch Carbonatisierung immer fester wird, bleibt der Dispersionsfilm chemisch unverändert. Er ist thermoplastisch, wird also bei Wärme weicher und kann bei niedrigen Temperaturen verspröden.
Eigenschaften von Dispersionsfarben
Dispersionsfarben bieten einige praktische Vorteile: Sie sind geruchsarm, schnell trocknend, einfach zu verarbeiten und in vielen Farbtönen erhältlich. Die Werkzeuge lassen sich mit Wasser reinigen. Auf dem Markt sind Dispersionsfarben in großer Auswahl und verschiedenen Preisklassen verfügbar.
Den Vorteilen stehen bauphysikalische Nachteile gegenüber.
Der Kunststofffilm ist wenig diffusionsoffen und behindert den natürlichen Feuchteaustausch zwischen Wand und Raumluft. Die Oberfläche lädt sich elektrostatisch auf und zieht Staub an. Zudem können Dispersionsfarben flüchtige organische Verbindungen (VOC) und Konservierungsmittel ausgasen, was die Raumluft belastet.
Dispersion vs. mineralische Anstriche
Der wesentliche Unterschied zwischen Dispersionsfarben und mineralischen Anstrichen wie Kalkfarbe liegt im Bindungsprinzip. Dispersionen bilden einen Film auf der Oberfläche, der lose auf dem Untergrund liegt. Mineralische Farben hingegen verkieseln oder carbonatisieren mit dem Untergrund und gehen eine feste chemische Verbindung ein.
Für das Raumklima bedeutet das: Unter einer Dispersionsschicht kann die Wand nicht mehr "atmen". Feuchtigkeit staut sich, was Schimmelbildung begünstigt. Kalkfarben und Silikatfarben bleiben dagegen dampfdurchlässig und unterstützen die natürliche Feuchteregulierung. Bei Sanierungen von Schimmelschäden muss die Dispersionsschicht daher oft vollständig entfernt werden, bevor ein diffusionsoffener Anstrich aufgebracht werden kann.
Dispersionen in Putzen
Auch Putze können Kunstharzdispersionen enthalten. Sogenannte Kunstharzputze oder Dispersionsputze nutzen das gleiche Bindemittelprinzip wie Dispersionsfarben. Sie sind elastisch, wasserabweisend und rissüberbrückend, weisen aber dieselben bauphysikalischen Nachteile auf wie Dispersionsfarben.
In mineralischen Putzsystemen haben Dispersionen hingegen nichts zu suchen.
Ein echter Kalkputz enthält ausschließlich Sumpfkalk als Bindemittel. Produkte, die als "Kalkputz" vermarktet werden, aber Dispersionen enthalten, bieten nicht die volle Diffusionsoffenheit und Feuchteregulierung eines reinen Kalkputzes. Ein Blick auf die Volldeklaration der Inhaltsstoffe schafft hier Klarheit.
