Was ist Diffusionsoffenheit?

Diffusionsoffenheit beschreibt die Fähigkeit eines Baustoffs, Wasserdampf durch seine Struktur hindurchzulassen. Diese Eigenschaft ist entscheidend für ein gesundes Raumklima und die Langlebigkeit von Gebäuden. Je diffusionsoffener ein Material, desto besser kann Feuchtigkeit aus dem Rauminneren durch die Wand nach außen entweichen.
Der Fachbegriff dafür lautet Wasserdampfdiffusion. Gemessen wird die Diffusionsoffenheit über den sd-Wert (wasserdampfdiffusionsäquivalente Luftschichtdicke), der in Metern angegeben wird. Ein niedriger sd-Wert bedeutet hohe Diffusionsoffenheit, ein hoher Wert steht für eine dampfbremsende oder dampfsperrende Wirkung. Für gesundes Wohnen und effektive Schimmelprävention sind diffusionsoffene Wandaufbauten unverzichtbar, da sie Feuchtestau in der Konstruktion verhindern und das natürliche Feuchtegleichgewicht im Raum unterstützen.
Der sd-Wert: So wird Diffusionsoffenheit gemessen
Der sd-Wert gibt an, welcher Luftschichtdicke der Diffusionswiderstand eines Materials entspricht. Ein sd-Wert von 0,5 Metern bedeutet beispielsweise, dass das Material den gleichen Widerstand gegen Wasserdampfdiffusion bietet wie eine 0,5 Meter dicke, ruhende Luftschicht. Baustoffe werden anhand ihres sd-Werts in verschiedene Kategorien eingeteilt:
- Diffusionsoffen: sd-Wert unter 0,5 m (z.B. Sumpfkalkputz, Lehmputz, mineralische Farben)
- Diffusionshemmend: sd-Wert zwischen 0,5 m und 1.500 m (z.B. bestimmte Folien, Holzwerkstoffe)
- Diffusionsdicht: sd-Wert über 1.500 m (z.B. Dampfsperren, Metallfolien, Glas)
Naturkalkputze erreichen sd-Werte unter 0,05 m und zählen damit zu den diffusionsoffensten Baustoffen überhaupt. Diese extreme Durchlässigkeit ermöglicht einen optimalen Feuchtetransport und verhindert die Bildung von Kondenswasser in der Wandkonstruktion.
Warum Diffusionsoffenheit für gesundes Wohnen entscheidend ist
In einem durchschnittlichen Haushalt entstehen täglich mehrere Liter Wasserdampf durch Kochen, Duschen, Atmen und Schwitzen. Diese Feuchtigkeit muss irgendwohin.
Diffusionsoffene Wände nehmen überschüssige Luftfeuchtigkeit auf, transportieren sie durch die Konstruktion und geben sie bei trockenerer Raumluft wieder ab. Dieser natürliche Puffermechanismus stabilisiert die relative Luftfeuchtigkeit im optimalen Bereich zwischen 40% und 60%.
Werden hingegen diffusionsdichte Materialien wie Dispersionsfarben, Latexanstriche oder Kunststoffputze verwendet, bleibt die Feuchtigkeit im Raum gefangen. Die Folgen sind beschlagene Fenster, feuchte Wandoberflächen und ideale Wachstumsbedingungen für Schimmelpilze. Besonders in Altbauten ohne mechanische Lüftung ist ein diffusionsoffener Wandaufbau die Grundvoraussetzung für ein schimmelfreies und behagliches Wohnklima.
Diffusionsoffenheit und Schimmelprävention
Die Verbindung zwischen Diffusionsoffenheit und Schimmelschutz ist direkt und messbar. Schimmel benötigt für sein Wachstum eine relative Oberflächenfeuchte von mindestens 80%. Diffusionsoffene Materialien verhindern genau diese kritische Feuchtekonzentration, indem sie Wasser nicht an der Oberfläche stauen lassen, sondern aktiv ins Materialinnere transportieren.
Sumpfkalkputz kombiniert diese Diffusionsoffenheit mit seinem alkalischen pH-Wert von 12,6. Selbst wenn kurzfristig Feuchtigkeit an der Oberfläche auftritt, macht das alkalische Milieu ein Schimmelwachstum unmöglich. Diese doppelte Schutzwirkung erklärt, warum Kalkputz seit Jahrhunderten in Feuchträumen, Kellern und historischen Gebäuden eingesetzt wird. Moderne Dispersionsfarben mögen optisch ähnlich aussehen, können diese bauphysikalische Schutzfunktion aber nicht annähernd erfüllen.
Diffusionsoffene vs. diffusionsdichte Baustoffe im Vergleich
Die Wahl zwischen diffusionsoffenen und diffusionsdichten Materialien hat weitreichende Konsequenzen für Bausubstanz und Wohngesundheit. Während diffusionsoffene Baustoffe wie Kalkputz, Lehmputz oder Silikatfarben den natürlichen Feuchtehaushalt unterstützen, unterbrechen diffusionsdichte Beschichtungen diesen Kreislauf.
Typische diffusionsdichte Materialien im Innenbereich sind Dispersionsfarben, Latexfarben, Vinyltapeten und kunststoffvergütete Putze. Sie bilden einen Film auf der Wandoberfläche, der Wasserdampf nicht durchlässt. Das Resultat: Die Wand kann nicht mehr "atmen", Feuchtigkeit sammelt sich hinter der Beschichtung, und zwangsläufig entstehen Schimmelprobleme oder Abplatzungen. Bei der Sanierung von Feuchträumen oder schimmelbelasteten Wänden ist der Austausch diffusionsdichter Beschichtungen gegen diffusionsoffene Alternativen daher oft der wichtigste Schritt.
Diffusionsoffenheit im gesamten Wandaufbau
Ein häufiger Fehler bei der Planung ist die isolierte Betrachtung einzelner Schichten. Für eine funktionierende Feuchteregulierung muss der gesamte Wandaufbau diffusionsoffen sein. Es nützt wenig, einen hochwertigen Kalkputz aufzutragen, wenn darunter eine Sperrgrundierung oder eine diffusionsdichte Altbeschichtung liegt.
Die Faustregel lautet: Von innen nach außen sollte die Diffusionsoffenheit zunehmen. So kann Feuchtigkeit ungehindert nach außen wandern, ohne in der Konstruktion zu kondensieren. Bei der Sanierung bedeutet das oft, alte Anstriche und Beschichtungen vollständig zu entfernen, bevor ein neuer diffusionsoffener Aufbau erfolgt. Eine fachkundige Analyse des Bestandsaufbaus ist daher vor jeder Kalkputzsanierung unerlässlich. Nur so lässt sich sicherstellen, dass die positiven Eigenschaften des Naturkalks auch tatsächlich zur Wirkung kommen.
Praktische Bedeutung für Bauherren und Sanierer
Wer neu baut oder saniert, sollte die Diffusionsoffenheit von Anfang an in die Planung einbeziehen. Bei der Materialauswahl lohnt sich der Blick auf die technischen Datenblätter: Der sd-Wert gibt zuverlässig Auskunft über das Diffusionsverhalten. Für Innenräume empfehlen sich grundsätzlich Materialien mit einem sd-Wert unter 0,1 m.
Besonders in folgenden Situationen ist Diffusionsoffenheit unverzichtbar:
- Feuchträume wie Badezimmer, Küchen und Waschküchen
- Schlafräume, in denen nachts viel Feuchtigkeit durch Atmung entsteht
- Altbauten ohne kontrollierte Wohnraumlüftung
- Kellerräume und erdberührte Wände
- Gebäude mit historischer Bausubstanz
Die Investition in diffusionsoffene Materialien zahlt sich durch geringere Heizkosten, weniger Schimmelprobleme und ein spürbar angenehmeres Raumklima aus. Langfristig sind diffusionsoffene Wandaufbauten die wirtschaftlichere und gesündere Wahl.
