Carbonatisierung

Was ist Carbonatisierung?

Carbonatisierung bezeichnet den chemischen Prozess, bei dem Calciumhydroxid (gelöschter Kalk) durch Aufnahme von Kohlendioxid aus der Luft zu Calciumcarbonat (Kalkstein) reagiert.

Bei Kalkputz ist die Carbonatisierung der natürliche Aushärtungsmechanismus: Der aufgetragene Putz nimmt CO₂ auf und verwandelt sich langsam wieder in das Gestein, aus dem er ursprünglich gebrannt wurde. Dieser Kreislauf macht Kalk zu einem der nachhaltigsten Baustoffe überhaupt. Die Carbonatisierung verläuft von außen nach innen und kann je nach Schichtdicke Wochen bis Monate dauern.

Der chemische Prozess

Die Carbonatisierung folgt einer einfachen chemischen Gleichung:

Ca(OH)₂ + CO₂ → CaCite₃ + H₂O

Calciumhydroxid (Kalkhydrat) reagiert mit Kohlendioxid zu Calciumcarbonat (Kalkstein) und Wasser. Das entstehende Wasser verdunstet, während sich im Putz feine Calcitkristalle bilden, die für Festigkeit und Härte sorgen.

Für diesen Prozess benötigt der Kalk drei Dinge: Kohlendioxid aus der Umgebungsluft, eine gewisse Restfeuchte im Material und Zeit. Zu schnelles Austrocknen unterbricht die Carbonatisierung, da die CO₂-Aufnahme nur in feuchtem Milieu stattfindet. Deshalb sollte frischer Kalkputz vor direkter Sonneneinstrahlung und Zugluft geschützt werden.

Dauer der Carbonatisierung

Die Carbonatisierungsgeschwindigkeit hängt von mehreren Faktoren ab:

  • Schichtdicke: Dünnere Schichten carbonatisieren schneller als dicke
  • Luftfeuchtigkeit: Optimale Bedingungen bei 40% bis 70% relativer Feuchte
  • CO₂-Gehalt: Höherer CO₂-Gehalt beschleunigt den Prozess
  • Porosität: Poröse Putze carbonatisieren schneller als dichte
  • Temperatur: Wärme beschleunigt, Kälte verlangsamt die Reaktion

Als Faustregel gilt: Pro Millimeter Schichtdicke dauert die vollständige Carbonatisierung etwa einen Tag unter optimalen Bedingungen. Ein 10 mm dicker Kalkputz benötigt also mindestens 10 Tage, in der Praxis oft mehrere Wochen. Die oberste Schicht härtet dabei zuerst aus, während die tieferen Schichten noch weich sind.

Bedeutung für Kalkputz

Die Carbonatisierung unterscheidet Kalkputz grundlegend von zementgebundenen Putzen oder Dispersionsfarben. Zement härtet durch Hydratation (Reaktion mit Wasser), Dispersionen durch Filmbildung (Verdunstung des Wassers). Kalk hingegen durchläuft eine echte chemische Umwandlung und wird dabei immer fester.

Ein vollständig carbonatisierter Kalkputz erreicht eine Härte, die mit dem ursprünglichen Kalkstein vergleichbar ist. Historische Kalkputze, die Jahrhunderte alt sind, zeigen oft eine höhere Festigkeit als frische Putze, da die Carbonatisierung über lange Zeiträume weiter fortschreitet und die Kristallstruktur immer dichter wird.

Carbonatisierung und pH-Wert

Während der Carbonatisierung verändert sich der pH-Wert des Kalkputzes. Frisch aufgetragener Kalkputz hat einen pH-Wert von etwa 12,6 (stark alkalisch). Mit fortschreitender Carbonatisierung sinkt dieser Wert, da das alkalische Calciumhydroxid in neutraleres Calciumcarbonat umgewandelt wird.

Auch nach vollständiger Carbonatisierung bleibt der pH-Wert jedoch im alkalischen Bereich (etwa 8,5 bis 9). Die schimmelhemmende Wirkung des Kalks nimmt zwar ab, bleibt aber erhalten. Zudem können bei erneutem Feuchteeintrag geringe Mengen Calciumhydroxid aus tieferen Schichten an die Oberfläche wandern und den pH-Wert wieder erhöhen.

Der Kalkkreislauf

Die Carbonatisierung ist Teil des sogenannten Kalkkreislaufs, der den Kalk zu einem besonders nachhaltigen Baustoff macht:

  1. Kalkstein (CaCO₃) wird bei 900°C gebrannt
  2. Es entsteht Branntkalk (CaO) unter Abgabe von CO₂
  3. Branntkalk wird mit Wasser zu Löschkalk (Ca(OH)₂) gelöscht
  4. Löschkalk wird als Putz aufgetragen
  5. Durch Carbonatisierung wird der Putz wieder zu Kalkstein (CaCO₃)

Am Ende steht chemisch das gleiche Material wie am Anfang. Das beim Brennen freigesetzte CO₂ wird bei der Carbonatisierung wieder gebunden. Dieser geschlossene Kreislauf macht Kalk zu einem der ältesten und zugleich umweltfreundlichsten Baustoffe.