Baubiologie

Was ist Baubiologie?

Baubiologie ist die Lehre von den Wechselwirkungen zwischen Gebäuden, ihren Bewohnern und der Umwelt. Der Begriff setzt sich aus "Bau" und "Biologie" (Lehre vom Leben) zusammen und beschreibt einen ganzheitlichen Ansatz für gesundes Bauen und Wohnen. Im Zentrum steht die Frage, wie Gebäude so geplant, gebaut und betrieben werden können, dass sie die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen fördern statt beeinträchtigen. Die Baubiologie betrachtet dabei nicht nur einzelne Baustoffe, sondern das gesamte System aus Konstruktion, Material, Raumklima und Nutzung.

Geschichte und Entwicklung

Die Baubiologie entstand in den 1960er und 1970er Jahren als Reaktion auf zunehmende Gesundheitsprobleme in modernen Gebäuden. Der deutsche Arzt und Architekt Hubert Palm prägte den Begriff und gründete 1976 das Institut für Baubiologie in Neubeuern. Auslöser waren Beobachtungen, dass Menschen in konventionell gebauten Häusern häufiger unter Kopfschmerzen, Allergien, Schlafstörungen und Atemwegserkrankungen litten als in traditionell errichteten Gebäuden.

Heute ist Baubiologie ein etabliertes Fachgebiet mit eigenen Ausbildungsgängen, Messmethoden und Standards. Der Standard der baubiologischen Messtechnik (SBM) definiert Richtwerte für verschiedene Belastungsfaktoren in Innenräumen.

Grundsätze der Baubiologie

Die Baubiologie basiert auf mehreren Leitprinzipien, die sich an natürlichen Vorbildern orientieren:

  • Verwendung natürlicher, schadstofffreier Baustoffe
  • Diffusionsoffene Konstruktionen, die Feuchteregulierung ermöglichen
  • Vermeidung von Schadstoffen, Ausgasungen und Geruchsbelästigungen
  • Minimierung elektromagnetischer Felder und Strahlungsbelastungen
  • Optimierung von Tageslicht, Raumklima und Akustik
  • Berücksichtigung ökologischer Aspekte wie Ressourcenschonung und Recyclingfähigkeit

Diese Grundsätze münden in der Forderung nach "atmenden" Gebäuden, die ähnlich wie ein natürlicher Organismus Feuchtigkeit, Wärme und Luft regulieren können.

Baubiologie und Baustoffe

Die Auswahl der Baustoffe ist ein Kernthema der Baubiologie. Bevorzugt werden Materialien, die natürlichen Ursprungs sind, keine Schadstoffe ausgasen, feuchteregulierend wirken und am Ende ihrer Lebensdauer problemlos entsorgt oder recycelt werden können.

Kalkputz erfüllt diese Anforderungen in besonderem Maße: Er besteht aus natürlichen Rohstoffen, reguliert die Raumfeuchte, hemmt Schimmelbildung durch seinen hohen pH-Wert und ist vollständig recycelbar. Auch Lehm, Holz, Naturstein und pflanzliche Dämmstoffe wie Hanf oder Zellulose gelten als baubiologisch empfehlenswert.

Kritisch betrachtet werden hingegen Materialien mit synthetischen Bindemitteln, Weichmachern, Lösungsmitteln oder Bioziden. Auch Baustoffe, die elektromagnetische Felder verstärken oder die Diffusion behindern, werden in der Baubiologie vermieden.

Baubiologische Messtechnik

Ein wichtiger Bestandteil der Baubiologie ist die Messtechnik zur Erfassung von Belastungsfaktoren in Gebäuden. Baubiologische Messtechniker untersuchen Räume auf verschiedene Einflussfaktoren:

  • Schadstoffe in der Raumluft (Formaldehyd, VOC, Lösungsmittel)
  • Schimmelpilze und deren Sporen
  • Elektrische Wechselfelder und magnetische Felder
  • Hochfrequente Strahlung (Mobilfunk, WLAN)
  • Radioaktivität (Radon)
  • Raumklima (Temperatur, Feuchte, CO₂-Gehalt)

Die Messergebnisse werden anhand des Standards der Baubiologischen Messtechnik (SBM) bewertet und dienen als Grundlage für Sanierungsempfehlungen.

Bedeutung für die Praxis

Baubiologische Prinzipien gewinnen angesichts zunehmender Allergien, Umwelterkrankungen und des Wunsches nach nachhaltigem Bauen an Bedeutung. Für Bauherren bietet die Baubiologie einen Orientierungsrahmen bei der Planung und Materialauswahl. Für Bewohner bestehender Gebäude können baubiologische Untersuchungen helfen, Ursachen für gesundheitliche Beschwerden zu identifizieren und zu beseitigen.

Die Verwendung von Sumpfkalkputz ist ein praktisches Beispiel für baubiologisches Bauen: Das Material verbessert das Raumklima messbar, verhindert Schimmel ohne chemische Zusätze und trägt zu einem gesunden Wohnumfeld bei.